Die DGN (Deutsche Gesellschaft für Neurologie), die DGNR (Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation) und die GNP (Gesellschaft für Neuropsychologie) haben gemeinsam Stellung genommen zur Reform des Psychotherapeutengesetzes.

In der Bundesrepublik Deutschland erleiden jährlich ca. 500.000 Personen eine neurologische Erkrankung mit Verletzung des Gehirns (vor allem Schädel-Hirn-Traumata, Schlaganfälle, Hirntumore, entzündliche Erkrankungen). Die adäquate Versorgung dieser Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen erfordert ein spezialisiertes Angebot an neuropsychologischer Diagnostik und Therapie für Störungen der kognitiven Leistungsfähigkeit sowie emotionaler und motivationaler Veränderungen, wie sie häufig nach einer Hirnschädigung auftreten. Konsequenterweise ist daher neuropsychologische Therapie seit langem ein wesentlicher Bestandteil der (teil-)stationären und ambulanten neurologischen Behandlung und Rehabilitation und 2012 wurde die ambulante neuropsychologische Therapie in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen. Zur Realisierung dieses Leistungsangebotes bedarf es kompetent aus-und weitergebildete ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen/NeuropsychologInnen, die auf die Versorgung dieser besonderen Patientengruppe spezialisiert sind. Für diese Behandlergruppen, die sich auf dem Gebiet der Klinischen Neuropsychologie spezialisieren, sind die Aus-und Weiterbildungswege bisher kompliziert und langwierig, was zu einem Mangel an einer entsprechenden Behandlergruppe mit Weiterbildung in Klinischer Neuropsychologie und somit zu langwierigen Engpässen in der Versorgung mit neuropsychologischer Therapie, insbesondere im ambulanten Sektor führt.

Vor diesem Hintergrund begrüßen die o.g. Fachgesellschaften die Bestrebungen zu einer Reform der Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten. Die vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) veröffentlichen Eckpunkte zur Novellierung des Psychotherapeutengesetzes greifen aus unserer Sicht einige zentrale Anliegen dieser angestrebten Reform auf. Wir begrüßen ausdrücklich die Pläne des BMG, die Approbation in Psychologischer Psychotherapie bereits am Ende eines entsprechend fachlich strukturierten Hochschulstudiums zu erteilen und somit schneller als bisher die Voraussetzungen für weitere spezialisierte Weiterbildungen zu schaffen, die für die weiterzubildenden Psychotherapeuten dann unter definierten rechtlichen Rahmenbedingungen stattfinden würden. Die somit angestrebte Parallelität der Aus- und Weiterbildungswege für die heilkundlichen Berufe des Arztes und Psychotherapeuten sehen wir auch als förderlich für die interdisziplinäre Zusammenarbeit an. Wir teilen die im Eckpunktepapier geäußerte Zielsetzung, dass dieses zur Approbation führende Studium zukünftige Psychologische Psychotherapeuten wissenschaftlich und praktisch qualifizieren muss und dass dafür ein universitäres Hochschulstudium von mindestens 5 Jahren (auf EQR-7-Level) erforderlich ist, das Fakten- und Handlungswissen aus der Psychologie, der Medizin, der Pädagogik sowie aus verfahrensübergreifenden und verfahrensspezifischen psychotherapeutische Ansätzen enthalten muss.

Mit Blick auf die Erfordernisse der Versorgung von Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen mit neuropsychologischer Therapie und die dafür erforderlichen Qualifikationen der psychologischen Behandler sind aus unserer Sicht mehrere Aspekte im bisherigen Entwurf noch nicht zureichend gelöst.  

  1. Das im Eckpunktepapier skizzierte universitäre Studium zur Approbation in Psychologischer Psychotherapie entspricht zwar formal dem EQR-7-Level (Mindestdauer 5 Jahre), die bisher geforderten Inhalte und Lehrformen ermöglichen es aber nicht, die wissenschaftlichen Urteils- und Handlungskompetenzen zu erreichen, die auf diesem Ausbildungslevel erwartet und für den Psychotherapeutenberuf erforderlich sind. Im bisherigen Entwurf besteht das Studium zu ca. 45 % aus praktischen (zudem überwiegend außerhalb der Hochschule erbrachten) Ausbildungsbestandteilen. Das geht zulasten der akademischen Inhalte und Kompetenzen, die das EQR-7-Niveau kennzeichnen.
  2. Damit das Approbationsstudium Psychologische Psychotherapeuten auch für eine Weiterbildung auf dem Gebiet der Klinischen Neuropsychologie qualifizieren kann, sind u.a. umfangreiche Kenntnisse und Fertigkeiten aus psychologischen und medizinischen Grundlagendisziplinen (zum Beispiel der klinischen Neurowissenschaften, der Kognitionswissenschaften, der (Neuro-)anatomie und -pathologie, etc) sowie auf dem Gebiet der Testtheorie und (neuro-) psychologischen Differentialdiagnostik erforderlich. Diese sind im bisherigen Entwurf nicht ausreichend repräsentiert.
  3. Neuropsychologische Therapie zur Behandlung von hirnorganisch bedingten kognitiven, emotionalen und motivationalen Störungen ist eine durch den Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie seit 2000 anerkannte wissenschaftlich fundierte psychotherapeutische Methode („Zusammenfassend wird festgestellt, dass die Neuropsychologische Therapie für den Anwendungsbereich "Hirnorganische Störungen" bei Erwachsenen als ein theoretisch und empirisch hinreichend fundiertes und damit wissenschaftlich anerkanntes Therapieverfahren anzusehen ist.“ s. http://www.wbpsychotherapie.de/page.asp?his=0.113.126.127). 
  4. Das Studium zur Approbation sollte daher auch die Vermittlung von Grundkenntnissen zur Indikationsstellung und Anwendung der neuropsychologischen Therapie für alle Absolventen einschließen.
  5. Neben der Vermittlung von Grundkenntnissen zu allen wissenschaftlich fundierten psychotherapeutischen Methoden/Verfahren sollten Universitäten im Kontext der Direktausbildung Schwerpunkte in der Ausbildung in bestimmten psychotherapeutischen Verfahren/ Methoden und der Behandlung spezifischer Indikationsgruppen setzen können. Hier muss auch ein Schwerpunkt auf hirnorganisch bedingten Störungen und neuropsychologischer Therapie möglich sein. Das ermöglicht insbesondere eine Verknüpfung mit neurowissenschaftlichen Grundlagendisziplinen, die für die Weiterentwicklung dieses Spezialfeldes der psychotherapeutischen und ärztlichen Behandlung eine wesentliche Rolle spielen.
  6. Die Praxisanteile des Studiums müssen daher gleichberechtigt zu anderen Anwendungsfeldern der Psychotherapie (Psychiatrie, Psychosomatik) auch in Einrichtungen der neurologischen und neuropsychologischen Versorgung absolviert werden können. Damit wird es Studierenden im Approbationsstudium frühzeitig ermöglicht, Interesse und Kenntnisse in diesem Spezialgebiet aufzubauen und mit anderen Berufsgruppen (Ärzten, Logo-, Ergo- und Physiotherapeuten) zu interagieren, die im Feld der stark interdisziplinär ausgerichteten Neurorehabilitation eine wesentliche Rolle spielen.
  7. Die eigenverantwortliche und selbständige Ausübung von neuropsychologischer Therapie durch ärztliche und psychotherapeutische Behandler setzt eine fachlich spezialisierte Weiterbildung voraus. Deshalb muss eine eigene Weiterbildung für das Fachgebiet „Klinische Neuropsychologie“ für das gesamte Altersspektrum, unabhängig von der Weiterbildung in einem anderen Psychotherapieverfahren ermöglicht werden. Die Schaffung von adäquaten strukturellen und finanziellen Rahmenbedingungen für diese Weiterbildung stellt eine gesellschaftliche Aufgabe dar, für die entsprechende gesetzliche Regelungen zur Finanzierung erforderlich sind.

Prof. Dr. med. Gereon Fink  
Präsident der DGN

Prof. Dr. med. Thomas Mokrusch        
Vorsitzender der DGNR

Dr. Thomas Guthke
Vorsitzender GNP

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