zur Behandlungsstruktur für Patienten nach längerer intensivmedizinischer Behandlung mit persistierenden erheblichen Aktivitätseinbußen und persistierender Beatmungs-, bzw. Tracheostomanotwendigkeit.

Verteiler

  • Mitglieder Gesundheitsausschuss Deutscher Bundestag
  • Mitlieder Ausschuss für Soziales Deutscher Bundestag
  • Fraktionsvorsitzende aller im Bundestag vertretenden Parteien
  • Die Bundebeauftrage für Fragen von Behinderten
  • Herr Staatssekretär Laumann CDU
  • Frau Andrea Nahles Bundesministerin für Arbeit und Soziales
  • Herr Hermann Gröhe Bundesminister für Gesundheit

Die verbesserte intensivmedizinische Behandlung hat für viele Patienten mit schweren Gesundheitsstörungen nach neurologischen, kardiologischen, gastroenterologischen und onkologischen Erkrankungen und damit verbundenen Prozeduren und Eingriffen die Überlebenswahrscheinlichkeit erheblich erhöht. Dies ist sicherlich einer der wichtigsten Fortschritte in der Medizin in der zweiten Hälfte des 20ten Jahrhunderts.

Oftmals brauchen diese Patienten einen längeren, manchmal über Wochen dauernden Aufenthalt auf Intensivstationen, werden mit vielfältigen auch die Bewusstseinslagen beeinträchtigenden Pharmaka behandelt und sind oft längerfristig zu beatmen oder müssen ein Tracheostoma behalten.

Durch angemessene intensive rehabilitative Behandlung, nicht zuletzt mit der Zielsetzung, diesen Patienten verbesserte Teilhabechancen zu eröffnen, können diese Patienten in etwa 90% der Fälle von der Beatmung und vom Tracheostoma befreit werden. Patienten mit eingeschränkten Bewusstseinszuständen wie z.B. Wachkoma können sogar bis zu 50% nachher in ihrem Wohnumfeld bleiben und trotz ihrer Beeinträchtigung wieder ein weitgehend selbstbestimmtes Leben führen, bis hin zur Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit. Dies setzt aber voraus, dass ein intensives und multiprofessionelles rehabilitatives Programm mit diesen Patienten durchgeführt wird.

Dies ist nicht begrenzt auf Pflege, sondern setzt das Zusammenspiel vieler anderer Berufsgruppen voraus, insbesondere von Schlucktherapeuten, Logopäden, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und in begrenztem Umfang auch Psychologen koordiniert durch eine kompetente ärztliche Begleitung.

Die Behandlungsdauer einer solchen intensiven frühen Rehabilitation kann bis zu mehrere Monate betragen. Dabei kann eine kurzfristige stationäre rein klinische Behandlung in der kritischen Anfangsphase der Entwöhnung von Tracheostoma und/oder Beatmung erforderlich sein, sofern die Rehabilitationseinrichtung dies nicht selbst leisten kann.

Obwohl wir genau wissen, dass es sehr gute Chancen zu einer Verbesserung der Teilhabe dieser Patienten gibt, wird momentan nicht zuletzt durch Fehlanreize oft ein abgekürzter Weg eingeschlagen:
Viele dieser Patienten gehen direkt von der Intensivstation in sogenannte Intensivpflegewohngruppen, wo ihnen lediglich eine, zum Teil durchaus hochqualitative, pflegerische Betreuung gewährt wird. Eine umfassende rehabilitative Behandlung findet jedoch nicht (mehr) statt. Leistungsrechtlich gelten diese Patienten in der Wohngruppe als zu Hause wohnend und die Therapie als ambulant. Dem grundsätzlich sicher nicht verkehrten Ansatz „ambulant vor stationär“ folgend führt dies aber mittlerweile dazu, dass

  1. überproportional hohe Behandlungskosten für diese ambulante rein pflegerische Behandlung entstehen (bis zu 30.000 € und mehr pro Monat).
  2. ihnen dieser multiprofessionelle rehabilitative Ansatz mit der Zielsetzung, sie von Beatmung und / oder Tracheostoma zu entwöhnen systematisch verwehrt wird
  3. ihnen damit mögliche Teilhabechancen verwehrt werden.

Ein solcher leistungsrechtlich begünstigter Fehlanreiz führt damit zu einem auch in medizinethischer Hinsicht nicht vertretbarem Zustand.

Es handelt sich dabei nicht ausschließlich um Patienten mit primären Erkrankungen des Nervensystems, sondern auch um sekundär erworbene neurologische Komplikationen. Oft sind es Patienten nach Herzoperationen oder schweren bauchchirurgischen Eingriffen, die in diese Situation hinein geraten können.

Wie sieht eine gesundheitsökonomische Betrachtung aus?

Eine intensive Wohngruppenbehandlung kostet bis zu 30.000€ im Monat und muss gegebenenfalls lebenslang durchgeführt werden. Eine Intensivfrührehabilitation dieser Patienten kostet ca. 1.000 € am Tag, d.h. auch ca. 30.000 € pro Monat, würde aber nach einigen Monaten zu einer höchst signifikanten Reduktion des weiter notwendigen Therapie- und Hilfebedarfes führen. Selbst unter Verzicht auf komplexere nationalökonomische Überlegungen über Folgekosten stellen allein die reinen Behandlungskosten einer multiprofessionellen Behandlung mit dem Ziel der Teilhabeverbesserung nur noch einen Bruchteil, der durch die reine Pflege in Intensivpflegewohngruppen mittelfristig resultierenden Kosten dar.
Deswegen ist auch unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebotes hier ein absoluter Primat einer multiprofessionellen Rehabilitation vor der rein pflegerischen Dauerunterbringung in Wohngruppen angezeigt.

Das Prinzip „ambulant vor stationär“ war ja nicht zuletzt auch unter dem Aspekt einer Kostenoptimierung eingeführt worden, darf aber durch die erschwerten Umstände nicht pervertiert  werden.

Um die tatsächlich vorhandenen Teilhabemöglichkeiten dieser Patienten nicht zu beschneiden, muss es eine politische Forderung sein um adäquate multiprofessionelle nicht auf Pflege beschränkte frühe Rehabilitationschancen offen zu halten. Es muss vermieden werden, dass unter Umgehung jeder Rehabilitation diese Patienten dann in eine rein pflegerische  „pseudo- ambulante“ Behandlung mit allein statuserhaltendem Charakter ohne die Chance zur Verbesserung der Teilhabe überführt werden. Eine solche Vorgehensweise ist nach geltendem Recht im Grundsatz nicht zulässig, da künftige Teilhabechancen dieser Patienten von vorne herein abgeschnitten werden.

Für weitere Rückfragen stehen wir selbstverständlich jederzeit gerne zur Verfügung.

Prof. Dr. Volker Hömberg
Chefarzt Abteilung Neurologie
SRH Gesundheitszentrum Bad Wimpfen
Generalsekretär Weltverband für NeuroRehabilitation (WFNR)

Dr. Harry Fuchs
Lehrbeauftragter Hochschulen Düsseldorf und München

Prof. Dr. med. Thomas Mokrusch
Vorsitzender DGNR

Armin Nentwig
Landrat a.D.
Gründer und Vorsitzender des Bundesverbandes Schädel-Hirnpatienten  in Not e.V./ Deutsche Wachkomagesellschaft

Prof. Dr. Annegret Ritz
Vizepräsidentin Hannelore Kohl Stiftung

Prof. Dr. Dr. Paul Walter Schönle
Vorsitzender  Bundesverband Neurorehabilitation BNR, Sprecher
LAG NeuroRehabilitation  NRW

Dr. Wilfried Schupp
Mitglied Vorstand DGNR

Prof. Dr. med. Claus-W. Wallesch
Stv. Vorsitzender Bundesverband Neurorehabilitation BNR

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