Aufgrund der zunehmenden Zahl intensivpflichtiger Menschen mit multiplen neurologischen Schädigungen – etwa nach Schlaganfällen, Schädel-Hirn-Traumata oder hypoxischen Enzephalopathien – gewinnt das Thema zunehmend an Relevanz.

Die S2k-Leitleitlinie widmet sich der komplexen Thematik der Beatmungsentwöhnung bei Patient:innen in der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation (NFR). Sie ist primär für Fachpersonen in Akutkrankenhäusern und Fachkrankenhäusern mit neurologischem, neurochirurgischem bzw. intensivmedizinischem Schwerpunkt konzipiert.

Besonderheiten und Zielsetzung
Das Besondere an dieser Leitlinie liegt in der konsequent interdisziplinären Herangehensweise. Die Beatmungsentwöhnung („Weaning“) wird nicht isoliert, sondern als integraler Bestandteil eines umfassenden, teilhabeorientierten Behandlungsprozesses betrachtet, der Akut- und Intensivmedizin mit rehabilitativer Medizin verbindet. Ziel ist die Wiedererlangung größtmöglicher Autonomie, Lebensqualität und Teilhabe. Die Leitlinie betont die Notwendigkeit früher Verlegung in spezialisierte Einrichtungen der NFR mit intensivmedizinischer und Weaning-spezifischer Kompetenz. Darüber hinaus wird die Beatmungsentwöhnung als wichtiger Meilenstein eines komplexen und langangelegten Frührehabilitationsprozesses gesehen, in deren Folge ein weiteres, wichtiges Ziel die Dekanülierung darstellt.

Neuerungen im Vergleich zur Vorversion
Wesentliche Neuerungen betreffen die erweiterte Beteiligung zusätzlicher Fachgesellschaften, darunter die Deutsche Gesellschaft für Atmungstherapie (DGA), die Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für außerklinische Beatmung und Intensivversorgung (DIGAB) und die Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegiologie (DMGP), was die multiprofessionelle Ausrichtung der Leitlinie weiter stärkt. Inhaltlich wurden neue Empfehlungen insbesondere zum Trachealkanülenmanagement sowie zur frühen Diagnostik und Therapie der Dysphagie ergänzt, insbesondere werden strukturierte Protokolle für Entblockung, Sprechventileinsatz und Dekanülierung empfohlen. Darüber hinaus wird die Wichtigkeit der Integration auch palliativmedizinischer Aspekte in die Behandlung hervorgehoben.

Klinisch-praktische Relevanz
Die Leitlinie richtet sich an alle Berufsgruppen, die an der Versorgung beatmeter neurologischer Frührehabilitationspatienten beteiligt sind – von Ärzten über Pflegekräfte, Atmungs-, Ergo-, Logo- und Physiotherapeuten bis hin zu (Neuro)Psychologen. Besonderer Fokus liegt auf der systematischen Erkennung kognitiver, motorischer und respiratorischer Erschwernisse sowie auf der frühzeitigen Weichenstellung für palliative Versorgungsoptionen, sofern erforderlich. Die Empfehlungen orientieren sich am BAR-Phasenmodell und sind konsentiert, praxisnah und umsetzbar formuliert.

Mitwirkende Fachgesellschaften
Neben der DGNR haben u.a. die DGN, DGNI, DGAI, DGNC, DGF, DVE, ZVK, DBL, DIGAB, DGP, GNP, DGA sowie die DMGP aktiv mitgewirkt. Vertreten sind alle für die Entwöhnung relevanten Berufsgruppen. Ebenfalls war ein Patientenvertreter des BDH Bundesverband Rehabilitation beteiligt.

Fazit
Die überarbeitete S2k-Leitlinie zur Beatmungsentwöhnung in der NFR stellt einen wichtigen Beitrag zur Versorgungsqualität hochkomplexer neurologischer Patient:innen dar. Sie fördert eine strukturierte, multiprofessionelle Entwöhnungspraxis mit dem Ziel, Lebensqualität und Teilhabechancen zu verbessern.

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